Weinwissen
Der Beruf des Önologen: im Gespräch mit Léonard Pfister
Was umfasst der Beruf des Önologen ?
Der Begriff Önologie stammt aus dem Griechischen und bedeutet «die Kunst der Weinerzeugung». Allgemein gesehen ist der Önologe ein wissenschaftlicher Experte rund um das Thema des Weinbergs und des Weins mit einem breitgefächerten Tätigkeitsbereich: Er beaufsichtigt den Anbau der Reben sowie die Erzeugung, den Ausbau und die Abfüllung der Weine. Aufgrund seines Wissens ist er des Weiteren auch im Vertrieb und Vermarktung der Weine tätig. Er kann sowohl für ein Weingut, einen Weinbaubetrieb oder eine Weinbaugenossenschaft arbeiten, wie auch in einem Labor oder als unabhängiger Berater aktiv sein.
Im Rebberg
Der Önologe arbeitet mit dem Leiter des Weinbergs eng zusammen. Während dem Einrichten der Parzellen prüft der Önologe die Terroirs, die Weinstile, die dort erzeugt werden können, sowie die dafür geeignetsten Rebsorten. Er berät und beaufsichtigt die Arbeiten im Rebberg das ganze Jahr lang über. Kurz vor der Erntezeit analysiert er das Traubengut und legt den optimalen Zeitpunkt für den Erntebeginn unter Beachtung von logistischen Einschränkungen, wie Spezifikationen für Ursprungsbezeichnungen, den vorhanden Platz in den Kellern sowie die verfügbaren Arbeitskräfte fest.
Der Önologe leitet ebenfalls Innovationsprojekte mit dem Ziel, die Bewirtschaftung des Rebbergs und den Respekt vor der Umwelt zu optimieren. Beispielsweise richtet er eine experimentale «Versuchs»-Parzelle für Rebsorten ein, die den klimatischen Bedingungen besser angepasst sind und fördert die Transition zum biologischen oder biodynamischen Anbau.
Im Keller
Nach der Traubenlese bleibt der Önologe weiterhin für die Kontrolle des Gärungs- und Ausbauprozesses bis hin zur Flaschenabfüllung und der Verpackung der Weine verantwortlich.
Er beherrscht die Kunst der Assemblage und schafft es, den gewünschten Weinstil aus Dutzenden von Weinproben von verschiedenen Rebsorten, Parzellen, unterschiedlichen Arten der Gärung und der Reifung sowie Jahrgängen zu erzeugen. Er wacht ebenfalls darüber, dass die Qualität und das Volumen der erzeugten Weine stets konstant bleiben, was bei komplizierten klimatischen Verhältnissen zu einer regelrechten Herausforderung werden kann.
Sein Beruf verlangt des Weiteren gute juristische Kenntnisse des Umfelds, um die in seiner Region geltende Gesetzgebung einzuhalten: Zum Beispiel, wenn es sich um den zugelassenen Alkohol- oder Schwefelgehalt handelt.
Der Önologe betreibt weiterführende Forschung, um Weinbereitungsprozesse zu optimieren, indem er beispielsweise neue Behältnisse, wie Betoneier ausprobiert, die Anwendung von erneuerbaren Energien fördert oder neue Vinifikationsmethoden mit Hilfe der Schwerkraft entwickelt.
Nach der Produktion
Sein Fachwissen bringt ihn ebenfalls dazu, sich in weiteren Aspekten der Weinindustrie zu engagieren. Der Önologe steht im steten Austausch mit dem Vertriebs- sowie dem Vermarktungsteam, um die Erwartungen der Konsumenten in der Schweiz und im Ausland besser vorauszuplanen und zu analysieren. So kann er beispielsweise den Stil seiner Weine an seine Kunden besser anpassen, indem er den Restzuckeranteil einer Cuvée reduziert oder den Schraubverschluss gegen einen Korkverschluss austauscht.
Er kennt sich mit dem Thema Wein bis ins kleinste Detail aus und weiss wie man darüber spricht. Er liefert wichtige Informationen für die Erstellung von Datenblättern sowie der Degustationsnotizen für Kunden. Das Fachwissen des Önologen ist für das Weinhaus Obrist, wie für alle Weinerzeuger, äusserst wertvoll und von grosser strategischer Bedeutung.
Léonard Pfister, Önologe des Weinhauses Obrist
- Welche Ausbildung haben Sie absolviert, um Önologe zu werden?
“Nach dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis Winzer EFZ, habe ich die Berufsmaturität erworben und anschliessend die Ingenieurschule von Changins in Weinbau und Önologie abgeschlossen. Nach diesem Studium war ich als Kellermeister für das Weinhaus Œnologie in Façon und anschliessend bei Schenk SA tätig. In dieser letzten Stellung durfte ich mich um die Kellerei St Georges in Sierre (während des Weinbereitungsprozesses) kümmern und ein 5-monatiges Praktikum in Spanien bei den Bodegas Murviedro absolvieren. Nach meiner Rückkehr aus Spanien, wurde ich bei Obrist als Kellerchef angestellt. Heute bin ich seit 3 Jahren als Önologe für das Weinhaus Obrist tätig.”
- Was beinhaltet Ihr Job?
“Meine Arbeit fängt bereits im Rebberg an, wo wir uns zusammen mit dem Rebbergverantwortlichen und unseren Auftragswinzern um den Anbau der Weinreben kümmern. Wenn die Trauben gereift sind, wird mit Hilfe von meinem Kellerchef und den Kellermeistern die Weinlese und anschliessend der Vinifikationsprozess vorgenommen. Sobald die Weinbereitung abgeschlossen ist, müssen diverse Assemblagen kreiert und die Flaschenabfüllungen getätigt werden.”
- Was würden Sie als die grössten Herausforderungen Ihres Berufes bezeichnen?
“Eine der grössten Herausforderungen besteht darin, sich an die klimatischen Veränderungen anzupassen, indem man Rebsorten analysiert, die in den kommenden Jahren angepflanzt werden sollen.”
- Was schätzen Sie am meisten an diesem Beruf?
“Die Arbeit mit der Natur. Jedes Jahr ist anders, die Routine ist dabei ein Fremdwort. Der Beruf beinhaltet auch viele menschliche Kontakte, die ich sehr schätze und als überaus bereichernd empfinde.”
© Olivier Maire
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