Rebsorten
Die Gamay

Ist Gamay die kleine Rebellin, so ist Chardonnay ihre weltgewandte Schwester.
Die Gamay ist eine alte Burgunder Rotweinsorte. Erstmals schriftlich erwähnt wurde sie 1395, in einem Dekret Philipps des Kühnen, der den Anbau der «Gaamez», dieser «sehr schlechten und schädlichen Sorte» verbot und dafür die deutlich sensiblere, schwieriger zu kultivierende Pinot Noir förderte. Trotzdem findet man Gamay auch heute noch vor allem in der sanften Hügellandschaft des Beaujolais, wo sie mit rund 15'000 Hektaren weltweit ihre grösste Verbreitung findet. Ist Gamay die kleine Rebellin, so ist Chardonnay ihre weltgewandte Schwester. Gamay ist, wie Chardonnay, eine natürliche Kreuzung aus Pinot und Heunisch (alias Gouais Blanc oder Gwäss im Wallis). Die fruchtbare, recht frühreife Sorte, die vor allem in nördlichen Anbaugebieten oder in Höhenlagen gedeiht, ergibt herzhafte, saftige Weine mit wunderbarer Beerenfrucht und diskreten Tanninen. Am besten geniesst man sie leicht gekühlt, etwa zu Wurstwaren, Grilladen oder einem kalten Plättli. In Barriques ausgebaut, kann Gamay auch strahlende, lagerfähige Rotweine von grosser Eleganz und beeindruckendem Tiefgang ergeben.
Im Beaujolais, das sich vorbehaltlos der Gamay verschrieben hat, zeigt die Sorte, wozu sie fähig ist. Auf Granit gewachsen und oft noch im traditionellen Gobeletsystem (als Buschreben und sehr dicht gepflanzt) erzogen, werden die Trauben hier oft mittels der sogenannten «macération carbonique» (Kohlensäuremaischung) vergoren. Aus den zehn Beaujolais-Crus (Saint-Amour, Chénas, Fleurie, Juliénas, Moulin-à-Vent, Morgon, Chiroubles, Brouilly und Côte-de-Brouilly, Régnié) stammen die besten Gamayweine. Doch leider hat das Beaujolais die Gamay nicht nur grossgemacht, sondern auch auf Jahrzehnte ihren Ruf beschädigt. Dies mit dünnen Massenweinen, die jeweils als «Beaujolais Nouveau» die Märkte überfluteten.
Mittlerweile erlebt die Gamay eine sehr verdiente Renaissance. In der Schweiz ist sie hinter Pinot Noir mit 1224 Hektar die zweitwichtigste Rotweinsorte. Angebaut wird sie vor allem in der Westschweiz. Spitzenreiter ist der Kanton Wallis (537 ha), vor der Waadt (353 ha) und Genf (333 ha). Die Waadtländer Region Lavaux, von der Unesco als Weltkulturerbe ausgezeichnet, verfügt mit der Plant Robert sogar über eine eigene, besonders würzige und charaktervolle Varietät der Gamay. Im Wallis wird Gamay natürlich ebenfalls reinsortig ausgebaut, stellt aber zusammen mit Pinot Noir auch die Hauptpartnerin für den Dôle, einen der bekanntesten Weine der Schweiz.