Weinwissen
Wie verkostet man Wein richtig?
Die Weindegustation kann einen zuerst zwar etwas einschüchtern, vor allem wenn man Anfänger ist. Doch diesen Prozess kann jeder erlernen ! Wie geht man dabei vor ? Welches Vokabular wendet man an ? Dieser Beitrag schlägt Ihnen eine methodologische Vorgehensweise für Ihre nächste Weindegustation vor. Zudem, stellen wir Ihnen zwei Verkostungsarten vor : Die horizontale und die vertikale Degustation. Es ist an der Zeit, den Sommelier in Ihnen zu erwecken !
Degustationsleitfaden
Sie möchten eine Flasche Chianti öffnen, die Ihre Freunde heute abend mitgebracht haben. Je nach dem Wein, sollten Sie diesen vielleicht karaffieren oder dekantieren. Erfahren Sie mehr zum Unterschied zwischen den bewährten Praktiken rund um das Karaffieren und Dekantieren.
Für seriösere Verkostungen oder wenn Sie sich an die Charaktereigenschaften eines Weins in Zukunft genauer erinnern möchten, empfiehlt es sich, Notizen zu machen. Legen Sie Stift und Papier bereit und unterteilen Sie Ihr Blatt in vier Teile, entsprechend den vier Degustationsphasen : Optische Prüfung, olfaktorische Prüfung, gustatorische Prüfung und Schlussfolgerung.
1. Phase : Optische Prüfung
Die optische Prüfung besteht in der Beobachtung der Weinrobe, d.h. der Farbe des Weins. Neigen Sie einfach das Glas über dem Tisch und sehen es sich von oben an.
Hat er eine intensive Farbe ? Ist er ausgesprochen hell oder sehr dunkel ? Manche Weissweine sind von solch’ einer Helligkeit, dass sich eine Farbe beinahe kaum erkennen lässt, wohingegen manche Rotweine fast schon undurchsichtig sind.
Sie können ebenfalls die Farbe Ihre Weins notieren : Zitronenfarben, goldfarben, bernsteinfarben bei den Weissen, und violettfarben, rubinrot, braunfarben bei den Roten. Es existiert eine Vielzahl von weiteren, möglichen Ausdrücken : grün, strohgelb, kirschrot, granatrot, um nur einige zu nennen. Sie können auch weitere Bemerkungen hinzufügen : Erkennt man eine Perlage, scheint der Wein eher ölig und dickflüssig ?
Um das Wesentliche bei dieser Verkostungsetappe festzuhalten, lenken Sie Ihr Augenmerk auf das Trio «Intensität, Farbe, Anmerkung ».
2. Phase : Olfaktorische Prüfung
Die olfaktorische Prüfung besteht darin, die aromatische Intensität des Weins zu beurteilen und die Aromafamilien zu ermitteln, die er offenbart. Die Prüfung ist dabei in zwei Phasen unterteilt : Der erste und der zweite Eindruck.
Beim ersten Eindruck, riechen Sie einfach Ihren Wein ohne ihn zu rühren. Dies wird Ihnen einen ersten Einblick in seine aromatische Intensität verleihen. Anschliessend folgt der zweite Eindruck : Drehen Sie dafür Ihr Glas etwas, damit sich die Aromen vollends entfalten können. Bei der olfaktorischen Prüfung wird allgemein der Ausdruck « Aromen » verwendet, bei einer gustatorischen Prüfung wird der Ausdruck « Geschmacksnoten » benutzt.
Sind die Aromen leicht wahrnehmbar ? In diesem Fall verfügt der Wein über eine ausgeprägte aromatische Intensität. Sie können fast nichts wahrnehmen ? Der Wein hat demnach eine leichte aromatische Intensität (es kann auch sein, das der Wein vielleicht auch zu kalt ist, oder noch etwas verschlossen ist, oder vielleicht sind Sie einfach etwas erkältet ?) Versuchen Sie einfach Aromen zu ermitteln, die Sie momentan wahrnehmen : Sind es eher frische Früchte (Zitrusfrüchte, rote Früchte, schwarze Früchte), gekochte Früchte (Konfitüre), Trockenfrüchte, würzige Aromen (Vanille, Pfeffer), Holzaromen (Pilze, Unterholz), Tierdüfte (Leder, Wild). Diese Aromen sind in drei Aromafamilien unterteilt : Primäraromen – verliehen durch die Traube, Sekundäraromen – verliehen durch die jeweilige Ausbaumethode, und Tertiäraromen – verliehen durch die Flaschenreifung. Mit etwas Erfahrung und Wissen werden Sie aus diesen Aromen wertvolle Hinweise zur Natur und dem Charakter des Weins erlangen können. Zum Beispiel, wird ein im Barriquefass ausgebauter Wein Aromen nach Vanille und Gewürznelken entfalten.
Auf diese Weise werden Sie ebenfalls die Mängel eines Weins erkennen können. Beispielsweise, deutet ein muffiger Geruch auf einen verkorkten Wein hin. Leider ist in einem solchen Fall nichts mehr zu machen, der Wein kann nicht getrunken werden.
3. Phase : Gustatorische Prüfung
Es ist endlich an der Zeit, den Wein zu verkosten ! Die gustatorische Prüfung hat zum Ziel, die Struktur des Weins, seine Geschmacksnoten und seine Länge zu analysieren. Es ist der wichtigste Teil, der Ihnen wertvolle Information für die finale Degustationsphase, die Schlussfolgerung, vermitteln wird. Nehmen Sie einen Schluck Wein, und lassen Sie ihn für ein paar Sekunden durch den Mund laufen. Nehmen Sie bei Bedarf einen Spucknapf, um zu verhindern, dass der Wein Ihnen zu schnell zu Kopf steigt.
Nachdem Sie diesen einen Schluck genommen haben, analysieren Sie die an Ihrem Gaumen gebliebenen Eindrücke : Verspüren Sie ein Gefühl von Süsse aufgrund von Restzucker ? Dies wäre zum Beispiel der Fall bei einem Sauternes, einem Süsswein aus der Bordeaux-Region.
Merken Sie einen grösseren Speichelfluss, der vom hohen Säuregrad des Weins zeugt? Der Riesling wäre zum Beispiel eine Rebsorte mit hohem Säuregehalt. Empfinden Sie ein Wärmegefühl im Halsraum ? Dies zeugt von einem starken Alkoholgehalt. Die Ursprungsregion Châteauneuf-du-Pape bringt oft alkoholreiche Weine hervor. Verspüren Sie ein Trockengefühl am Gaumen ? In diesem Fall handelt es sich um einen tanninreichen Wein, wie zum Beispiel Weine aus dem Haut-Médoc in der Weinregion von Bordeaux.
Sind die Geschmacksnoten kräftig oder eher dezent ? Die australischen Malbec-Weine sind beispielsweise für ihre ausgesprochene Üppigkeit der Früchte bekannt. Zum Schluss, hält das positive Empfinden noch lange am Gaumen an ? (Zeichen für die Länge des Weins). Sie sind nun bereit für die letzte Phase.
4. Phase : Schlussfolgerung
Anhand der während der vorigen Phasen gesammelten Eindrücke, verfügen Sie nun über alle nötigen Informationen, um ein Meinungsbild zur Qualität des Weins und seinem Alterungspotential zu erstellen. Zögern Sie dabei nicht, die auf dem Rückenetikett vom Winzer angegebenen Informationen und Anhaltspunkte zur besseren Orientierung einzusehen.
Die objektiv geschätzte Qualität des Weins kann anhand der Ausgewogenheit und der Harmonie beim Zusammenspiel ihrer verschiedenen Komponente beurteilt werden. Gab es zum Beispiel genügend Säure in Ihrem Moscato d’Asti, um den Anteil vom Restzucker auszubalancieren ? Natürlich handelt es sich hier um eine Beurteilungskompetenz, die die grösste Erfahrung erfordert, die aber mit etwas Training angeeignet werden kann. Eine hohe aromatische Intensität sowie eine beeindruckende Länge am Gaumen sind ebenfalls gute Indikatoren für erstklassige Qualität. Stellen Sie sich zum Schluss einfach die Frage : Hat mir diese Cuvée geschmeckt ?
Das Alterungspotential eines Weins basiert auch auf seiner Länge am Gaumen und seiner aromatischen Intensität. Es braucht ebenfalls eine ausgesprochen gute Struktur, um sich mit zunehmenden Alter noch weiter zu verbessern, wie z. B. einen hohen Säure- oder Tanningehalt, einen vollmundigen Körper, Restzucker oder einen hohen Alkoholgehalt. Auch hier wird es Ihnen mit zunehmender Übung und Erfahrung leichter fallen, das Alterungspotential eines Weins einzuschätzen. Die mythischen Bordeaux Crus Classé, wie die Crus von Saint-Estèphe, sind für ihr sagenhaftes Alterungspotential dank ihrem ausgezeichnetem Säure- und Tanningehalt, ihrer Fruchtkonzentration und ihrer erstaunlichen Länge am Gaumen berühmt.
Eine grossartige Möglichkeit Erfahrung zu sammeln und Fortschritte zu machen, ist mehrere Cuvées zeitgleich zu verkosten, um sie untereinander vergleichen zu können. Das nächste Kapitel stellt Ihnen zwei Arten der Vergleichsdegustation vor : Die horizontale und die vertikale Degustation.
Horizontale Degustation
Eine horizontale Degustation erlaubt es, verschiedene Weine desselben Jahrgangs und derselben Ursprungsregion zu verkosten, um die Eigenschaften eines Terroirs zu entdecken, d.h. den Einfluss von Faktoren wie der Bodenbeschaffenheit, des Mesoklimas und der Arbeitsweise eines Winzers auf eine Cuvée. Entdecken Sie beispielsweise die Feinheiten des Terroirs von Lavaux über die folgenden Cuvées des Jahrgangs 2019 hinweg : « Rocanel » Epesses Grand Cru, « 1800 Vevey » Grand Cru und « La Redoute » Saint-Saphorin Grand Cru. Können Sie die Subtilitäten jeder Cuvée erkennen ?
Vertikale Degustation
Eine vertikale Degustation erlaubt es, denselben Wein, dieselbe Rebsorte oder dieselbe Ursprungsregion über mehrere Jahrgänge hinweg zu vergleichen. Es empfiehlt sich für diese Art Degustation die Weine vom jüngsten zum ältesten Jahrgang hin zu verkosten.
Die vertikale Degustation bietet die Möglichkeit, das Alterungspotential eines Weins abzuschätzen und die Auswirkungen des jeweiligen Jahrgangs auf dieselbe Cuvée nachzuvollziehen. Der Regen, der Wind, die Kälte, die Sonne, die Hitze, die Erntezeiten, die Art und Weise der Pflege der Reben, der Anteil der jeweiligen Rebsorte in einer Assemblage sind eine Vielzahl an Faktoren, die jeden einzelnen Jahrgang einzigartig machen.
Sie können sich beraten lassen und entsprechend Cuvées mit gutem Alterungspotential auswählen, um interessante Weine älterer Jahrgänge zu verkosten.
In der Schweiz verfügen die grossen Chasselas zum Beispiel über ein fantastisches Alterungspotential, und werden mit dem Alter zunehmend vielschichtiger und komplexer. Die Chasselas-Liebhaber finden aktuell eine Vertikaldegustations-Box Château de Chardonne 1er Grand Cru der Jahrgänge 2011 bis 2016.
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